Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Die geologische Vergangenheit der Antarktis verstehen

Seit mehr als vierzig Jahren berät die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung des Antarktis-Vertragssystems und leistet wichtige Beiträge zur geowissenschaftlichen Erforschung der Antarktis. So ist die BGR an langfristigen, nationalen und internationalen Forschungsprogrammen beteiligt, in denen geowissenschaftliche Grundlagenforschung betrieben wird. Im Fokus stehen Fragen zur Struktur, zum Aufbau und zur erdgeschichtlichen Entwicklung des antarktischen Kontinents. Dabei spielen grundlegende geodynamische Prozesse eine Rolle, die beispielsweise auch zur Bildung und zum Zerfall von Superkontinenten wie Gondwana oder Rodinia vor Millionen von Jahren geführt haben. Die antarktische Landschaft ist von ausgedehnten Gebirgsgürteln und Grabenbrüchen geprägt, die sich sowohl am Rande als auch im Inneren des antarktischen Kontinents befinden. Die Entwicklung dieser Landschaft ist ein komplexes Wechselspiel von Tektonik, Gesteinsaufbau und Klima. Alle diese Aspekte zählen zu den Arbeitsschwerpunkten der BGR. Die Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, tragen nicht zuletzt dazu bei, das Erdsystem insgesamt besser zu verstehen.

Ein Fenster in die Erdgeschichte

Der Fokus der geowissenschaftlichen Forschung liegt dabei auf der Ostantarktis und dem Transantarktischen Gebirge an der Grenze zur Westantarktis. Ein Forschungsschwerpunkt ist das pazifische Ende des Transantarktischen Gebirges am Rande des Rossmeeres, wo sich das Nordviktorialand und seine Nachbarregionen befinden. Die BGR betreibt hier seit dem Jahr 1979 das Forschungsprogramm GANOVEX (German Antarctic North Victoria Land Expedition). Bisher wurden 14 Expeditionen in diese Region unternommen. Die Ergebnisse, die dabei gewonnen wurden, belegen eindrucksvoll, dass das Transantarktische Gebirge ein herausragendes Fenster in die Vergangenheit und die geologische Entwicklung des Gondwana-Kontinents und letztendlich Antarktikas ist. Im Nordviktorialand betreibt die BGR seit 1980 und 1983 zwei Sommerstationen als logistische Basis für die Expeditionen – zum einen die „Lillie-Marleen-Hütte“, die als historische Stätte unter Schutz gestellt ist, und die im Jahr 2016 umwelttechnisch modernisierte Gondwana-Station an der Terra-Nova-Bucht am Rossmeer.

Expeditionen in das Innere der Antarktis

Darüber hinaus war die BGR in der Vergangenheit an vielen anderen Expeditionen beteiligt, die sie teils mit organisiert hatte, darunter Expeditionen in die Shackleton-Range, das Dronning-Maud-Land, das zentrale Transantarktische Gebirge, die Prince-Charles-Mountains im Bereich des Lambert-Gletschers sowie das Gamburtsew-Gebirge. Mit der Erfahrung aus all diesen unterschiedlichen Projekten entwickelte die BGR das langjährige große Forschungsprogramm GEA (Geodynamic Evolution of East Antarctica), das 2010 gestartet ist. Es ist ein Kooperationsprojekt mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI). In GEA untersuchen die Forscherinnen und Forscher die Entwicklung und die Struktur der ostantarktischen Erdkruste, indem geophysikalische und geologische Methoden kombiniert werden. Bisher wurden sechs Feldkampagnen im Bereich des Dronning-Maud-Landes durchgeführt. Sie haben für dieses Gebiet ein völlig neues Bild des Krustenbaus der Ostantarktis ergeben.

Internationale Bohrprojekte

In den vergangenen Jahren war die BGR zudem an zwei internationalen Forschungsbohrungen im Rossmeer beteiligt – dem Projekt ANDRILL und dem Cape-Roberts-Projekt. In beiden Bohrprogrammen wurden sowohl die Klima- und Vereisungsgeschichte der Rossmeer-Region als auch deren tektonische, vulkanische und sedimentäre Entwicklung untersucht. Darüber hinaus führt die BGR zusammen mit dem AWI im Sub-EIS-Observatorium-Projekt in der Nähe der Neumayer-Station III geophysikalische Untersuchungen und Beprobungen von Sedimenten durch. Diese Arbeiten liefern die Grundlage für eine künftige internationale Forschungsbohrung, die neue Erkenntnisse zur geodynamischen und klimatischen Entwicklung der Antarktis liefern soll. Außerdem bereitet die BGR derzeit zusammen mit internationalen Partnern die Forschungsbohrung SWAIS-2C im westlichen Rossmeer vor, die hauptverantwortlich von Neuseeland geleitet wird. Diese soll untersuchen, wie sich der Westantarktische Eisschild während vergangener Warmzeiten verhalten hat, als weltweit Temperaturen herrschten, wie wir sie heute für die nähere Zukunft erwarten.

Mitarbeit im Atomteststopp-Netzwerk

Die BGR ist noch auf ganz andere Weise in der Antarktis aktiv. An der Neumayer-Station III betreibt sie eine permanente Messstation, um Infraschallwellen aufzuzeichnen, wie sie bei Atombombentests entstehen. Denn nach dem Kernwaffenteststopp-Abkommen (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) sind Atomtests unter der Erde, unter Wasser und in der Atmosphäre verboten. Um die Einhaltung des Vertrags sicherzustellen, wird ein internationales Überwachungsnetz (IMS International Monitoring System) aus 321, gleichmäßig über den Globus verteilten Messstationen aufgebaut. Die Daten von Neumayer-Station III und allen anderen Stationen werden in Echtzeit in das weltweite Netz zur Überwachung eingespeist.