
Hintergrundfoto: Umweltbundesamt
Deutschland und die Antarktis
Von der Wissenschaft über die Politik zum Schutz der Antarktis
Die Antarktis ist ein Gebiet der Extreme: unwirtlich, lebensfeindlich und zumindest aus europäischer Sicht unendlich weit entfernt. Und doch spielt sie eine entscheidende Rolle für das Leben auf dem gesamten Planeten. Sie hat gravierenden Einfluss auf das globale Klimasystem und ist gleichzeitig ein wichtiges Frühwarnsystem des Klimawandels. So war der Temperaturanstieg an der Antarktischen Halbinsel in den vergangenen Jahrzehnten etwa fünfmal stärker als im weltweiten Vergleich. Von Bedeutung ist die Antarktis auch, weil sie über einzigartige und noch nahezu unberührte Ökosysteme mit einer enormen Artenvielfalt an Land und vor allem im Meer verfügt.
Wegen ihrer globalen Bedeutung und der einzigartigen Lebensräume schenkt auch Deutschland der Antarktis große Aufmerksamkeit. Seit Jahrzehnten übernimmt Deutschland in den Konsultativtagungen zum Antarktis-Vertrag (ATCM) Verantwortung, die Antarktis als einen Kontinent, der dem Frieden, der Wissenschaft und dem Umweltschutz gewidmet ist, zu bewahren. Als zuverlässiger Partner im Antarktis-Vertragssystem trägt Deutschland wesentlich dazu bei, die ursprünglichen Lebensgemeinschaften und die Umwelt dieser einzigartigen Region zu erforschen und im Interesse der gesamten Menschheit zu schützen.
Aktiv seit dem 19. Jahrhundert
Nur was man kennt, kann man auch schützen – so hat Deutschland eine lange Tradition in der Antarktisforschung und war federführend in der Organisation des ersten Internationalen Polarjahrs 1882 und 1883. Die Antarktis war dabei zwar noch eher ein Randaspekt, doch war das Polarjahr mit seinem Konzept der internationalen wissenschaftlichen Kooperation wegweisend. Darüber hinaus leiteten deutsche Forscher schon früh bedeutende, wissenschaftlich erfolgreiche Antarktisexpeditionen – etwa der Geograph Erich von Drygalski mit dem Forschungsschiff „Gauss“ und der Geophysiker Wilhelm Filchner auf der „Deutschland“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Deutschland beteiligte sich ferner am Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957/1958, mit dem zugleich das dritte Internationale Polarjahr ausgerufen wurde. Die internationale wissenschaftliche Kooperation setzte sich 1959 mit Unterzeichnung des Antarktis-Vertrags fort, indem festgelegt wurde, dass die Antarktis ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt werden und die Freiheit der Forschung in diesem Gebiet den Interessen der Wissenschaft und dem Fortschritt der ganzen Menschheit dienen sollte. Die Deutsche Demokratische Republik wurde 1974 Vertragspartner des Antarktis-Vertrags und im Jahr 1987 schließlich Konsultativstaat. Die Bundesrepublik Deutschland kam im Jahr 1979 als Vertragspartner hinzu und wurde 1981 Konsultativstaat. Seitdem ist sie stimmberechtigt.
Die Kooperation mit den anderen Antarktis-Vertragsstaaten ist ein wesentliches Fundament der deutschen Bemühungen um die Antarktis. Die deutschen Forschungsaktivitäten und -beiträge koordiniert das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Es stellt die Ausrüstung und Logistik zur Verfügung und unterhält auch die im Februar 2009 eingeweihte, ganzjährig betriebene Neumayer-Station III sowie das Forschungsschiff „Polarstern“. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe steht für die Erforschung der antarktischen Geologie und betreibt die Gondwana-Station am Rossmeer. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt für Erdbeobachtungen und Weltraumforschung. Das Umweltbundesamt wiederum hat die Aufgabe, all diese deutschen Aktivitäten in der Antarktis zu genehmigen. Dabei stimmt es sich auch mit den Genehmigungsbehörden anderer Vertragsstaaten ab.
Internationale Kooperation
Ob es sich um Forschung, Logistik, Tourismus oder die Zusammenarbeit im Rahmen des Antarktis-Vertragssystems handelt: Deutschland setzt auf intensiven Austausch und kontinuierlichen Dialog mit seinen internationalen Partnern. Es plant seine Forschungsvorhaben und Expeditionen gemeinsam mit ihnen. Es teilt Infrastruktur, Technik und Expertise und stellt der internationalen Wissenschaft Daten, Analysen und Modelle zur Verfügung. Es beteiligt sich intensiv an der Arbeit in den Gremien des Antarktis-Vertragssystems und kooperiert auf allen Ebenen mit den anderen Vertragsparteien. Diese gemeinsame, interdisziplinäre Arbeit hat zum heutigen Verständnis der Antarktis und weit darüber hinaus beigetragen. Dieses Wissen hilft der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die drängenden Herausforderungen unseres Planeten zu lösen und seine Naturschätze zu bewahren.
Ein Netzwerk von Schutzgebieten etablieren
In diesem Sinn legt Deutschland großen Wert auf die Errichtung eines Schutzgebietsnetzwerkes in der Antarktis – sowohl im Meer als auch an Land. So bemühen sich Deutschland und die Europäische Union seit 2012, im Rahmen der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) ein Meeresschutzgebiet im antarktischen Weddellmeer einzurichten. Des Weiteren läuft derzeit ein Forschungsvorhaben, mit dem schützenswerte Regionen an Land identifiziert werden sollen, um diese als Kandidaten für ein von Deutschland initiiertes Schutzgebiet (Antarctic Specially Protected Area – ASPA) vorzuschlagen. Ein besonderes Augenmerk legt Deutschland auch auf den Kaiserpinguin. Er kommt nur in der Antarktis vor und ist stark durch den Klimawandel bedroht. Daher soll diese Pinguinart zusätzlich unter besonderen Schutz gestellt werden, wofür sich Deutschland auch über die ATCM 2022 hinaus einsetzen möchte.
Einsatz für nachhaltigen Tourismus
Auch viele Touristinnen und Touristen zieht es jährlich auf den deutschen Kreuzfahrtschiffen oder Jachten in die Antarktis. Auf der ATCM setzt sich Deutschland für ein umweltverträgliches Tourismusmanagement und Regulierungen für einen nachhaltigen Tourismus ein, um dessen Auswirkungen auf die sensiblen Ökosysteme zu minimieren.
